Energiewirtschaft - Diskrepanz beim Stromnetzausbau zwischen Nord- und Süddeutschland


Aufgrund der geringen Fortschritte beim Stromnetzausbau kommt es zu hohen Kosten im Bereich des Engpassmanagements (Redispatch-Maßnahmen). [1] Die fehlenden Übertragungskapazitäten münden außerdem darin, dass zeitweise Photovoltaik- und Windkraftanlagen abgeregelt und vom Netz genommen werden müssen. Einerseits wird vergüteter Strom nicht genutzt und andererseits sind die volkswirtschaftlichen Kosten enorm. Es geht um eine jährliche Summe im Milliardenbereich, die am Ende der Verbraucher zu tragen hat.

Politische Zielsetzungen

Laut Koalitionsvertrag von 2018 soll der Anteil der Erneuerbaren Energien im Strommix in Deutschland weiter steigen, von heute 38 Prozent auf 65 Prozent bis 2030. [2] Nachdem 2011 nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima der Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Jahr 2022 beschlossen wurde, bleibt aktuell unklar, wann es in Deutschland zum Ausstieg aus der Verstromung von Kohle kommt. Derzeit tagt die Kohlekommission, bis Ende des Jahres soll ein konkretes Ausstiegsdatum präsentiert werden.

Um eine schnelle Umsetzung der Energiewende zu garantieren, ist eine neue Netzinfrastruktur notwendig, so dass Mengen- und Einspeisungsschwankungen der volatilen Erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne bedarfsgerecht und mit intelligenter Technik gesteuert werden können.

Am 20. September 2018 fand ein vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) initiierter Netzgipfel mit den Bundesländern statt, um den Ausbau des Stromnetzes zügig voranzubringen. Ein Maßnahmenpaket soll entscheidend dabei helfen, Blockaden aufzulösen und weitere Verzögerungen zu verhindern. [3]

Maßnahmenpaket: Erneuerbare Energien und ein schneller Netzausbau mittels Projektmanagement

Mithilfe des Maßnahmenpakets sollen gleichermaßen ein leistungsfähiges Stromnetz und der rasche Ausbau der Erneuerbaren Energien sichergestellt werden. Sowohl die Netzoptimierung als auch ein beschleunigter Netzausbau sowie das beständige Monitoring bzw. vorausschauendes Controlling von konkreten Zielabsprachen sollen dazu dienen, die benötigte Infrastruktur bereitzustellen und Hemmnisse zu minimieren. [3]

Das Maßnahmenpaket beinhaltet drei wesentliche Aspekte:

  • Die Novelle des deutschen Netzausbaubeschleunigungsgesetzes Übertragungsnetz (NABEG 2.0) soll die stärkere Vereinfachung und Verkürzung von Verfahren ermöglichen.
  • Bis Ende 2021 ist der Abschluss von allen Genehmigungsverfahren vorgesehen, speziell der Vorhaben nach dem Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) und die Genehmigung zum Bau von drei Hochspannungsübertragungsnetzen (HGÜ) „Südlink“ (Brunsbüttel-Heilbronn), „Südostlink“ (Magdeburg-Landshut) und „Korridor A“ (Osterath-Philippsburg).
  • Einführung eines vorausschauenden Controllings, so dass mit allen Verfahrensbeteiligten konkrete Zielabsprachen vorgenommen werden. Gemäß des klassischen Projektmanagementansatzes werden zukünftig für alle Vorhaben und Abschnitte beim Netzausbau Meilensteine definiert und Zuständigkeiten festgelegt.

Bis November 2018 ist geplant, dass BMWi, Länder, BNetzA (Bundesnetzagentur) und Netzbetreiber sog. „Hot spots“ beim Netzausbau identifizieren. Für die entsprechenden „Brennpunkte“ beim Netzausbau soll bereits zeitnah ein intensives Controlling etabliert werden, um Hindernisse zu identifizieren und einen Plan aufzustellen, wie und bis wann sie gelöst werden. Bislang existieren jedoch noch keine Standards für ein vorausschauendes Controlling, sondern Bund und Länder müssen sie erst gemeinsam mit der BNetzA entwickeln. [3]

FAZIT

Zwischen den verschiedenen Akteuren in der Energiewirtschaft wird bis dato noch immer über die Dimension des Netzausbaus debattiert. Damit verbundene Fragen sind z.B., wie viele Kilometer und auf welchen Spannungsebenen der Netzausbau überhaupt stattfinden soll. Aber auch Akzeptanzfragen sowie generelle Fragen zum Strommix bestimmen die Debatte.

Es bestehen mehrere Lösungsoptionen, um den Stromnetzausbau in geeigneter Art und Weise umzusetzen. Um zu einer Lösung zu kommen, müssen die unterschiedlichen Optionen bewertet und miteinander verglichen werden.

Die geplante Einführung des klassischen Projektmanagements und eines (vorausschauenden) Controllings beim Stromnetzausbau beinhalten großes Potential, um unabhängig von der verfolgten Lösungsoption zu Ergebnissen zu kommen.

Kontakt:
Ulf Roßegger
Ulf.Rossegger@affinis.de

Quellen:

[1] BDEW (2018), Fakten und Argumente. Redispatch in Deutschland. Auswertung der Transparenzdaten April 2013 bis einschließlich Januar 2018, veröffentlicht am 12.02.2018, unter: https://www.bdew.de/media/documents/Awh_20180212_Bericht_Redispatch_Stand_Februar-2018.pdf.

[2] Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD in der 19. Legislaturperiode vom 14.03.2018, veröffentlicht am 14.03.2018, unter: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/847984/5b8bc23590d4cb2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf?download=1.

[3] BMWi (2018), Ergebnisse des Netzgipfels am 20.09.2018 von Bundesminister Altmaier mit den Länderminister/innen, veröffentlicht am 20.09.2018, unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/E/ergebnisse-des-netzgipfels-20-09-2018.pdf?__blob=publicationFile&v=3.

Bildquelle: pixabay.com, Nikiko