Aufbauend auf die Artikel „Die Grundsätze von Six Sigma“ und „Lean Management – Oder: Warum auch Prozesse schlank sein können“, widmet sich dieser Artikel der Frage:

Six Sigma versus Lean Management – für Wen ist Was?

Zu Anfang der Betrachtung folgt eine Abgrenzung beider Methoden nach ihrem Kerngedanken:

Die Methodik Six Sigma dient dazu die Streuung von Prozessergebnissen zu reduzieren und damit die Prozessstabilität zu maximieren. Die Methodik des Lean Managements hingegen zielt auf die Ausrichtung von Prozessen und die Optimierung einzelner Aktivitäten durch Vermeidung von Überflüssigem ab.

Aus dieser Gegenüberstellung lassen sich bereits Anwendungsgebiete ableiten. So ist z.B. festzustellen, dass die Anwendung von Six Sigma innerhalb eines Kontexts der repetitiven, standardisierten Produktion oder Verarbeitung von Daten die größte Wirkung entfalten kann.

Six Sigma

Folgende Anwendungsgebiete eignen sich daher für ein Prozessmanagement nach Six Sigma:

  • Berechnung von Indizes für Finanzprodukte (Finanzbranche)
  • Erzeugen von Vertragsunterlagen aus Textbausteinen (z.B. in der Versicherungsbranche)
  • Optimieren von Wartezeiten in einer Service-Hotline (z.B. in der Telekommunikationsbranche)

Während die Methodik Six Sigma in den genannten Anwendungsgebieten in der Lage ist die Qualität der Prozesse in sehr hohem Grad zu steigern, darf nicht vergessen werden, dass hierbei kein vollständig fehlerfreier Prozess angestrebt wird.

Zur Verdeutlichung:

Ein Prozess auf Sigma-Level 6 liefert „immer noch“ 3,4 Fehler bei einer Million Möglichkeiten/Durchläufen (DPMO) – auf Sigma-Level 7 liegt dieser Wert bei nur noch 0,019 Fehlern pro einer Million Möglichkeiten/Durchläufen.

In der Praxis muss deshalb vor der Wahl und Skalierung der Methode klar definiert sein, welcher Zielzustand damit erreicht werden soll. So wird ein Prozess der einseitig auf möglichst niedrige Fehlertoleranz getrimmt wird seinen Output übermäßig verteuern und so der angestrebten Produktivitätssteigerung im Weg stehen (Overengineering).

Auch zu beachten ist, dass in Anwendungsgebieten wie z.B. der zivilen Luftfahrt Industriestandards mit wesentlich kleineren Fehlertoleranzen üblich sind, da 3,4 Fehler pro einer Million Möglichkeiten/Durchläufe ein viel zu großes Ausfallrisiko für den Betrieb darstellen.

Lean Management

Dadurch, dass es sich bei der Methode Lean Management, anders als bei Six Sigma um einen eher abstrakten Ansatz handelt, ist es in vielen Kontexten anwendbar.

Eine kurze Auswahl:

  • Lean Leadership – strategische Unternehmensführung
  • Lean Development – Forschung und Produktentwicklung
  • Lean Production – Herstellung und Fertigung von Produkten
  • Lean Administration – Geschäfts- und administrative Prozesse

In der Regel trifft mindestens ein Anwendungsgebiet auf jedes Unternehmen zu, was maßgeblich zur Verbreitung der Methode beigetragen hat. Lean-Management eignet sich für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), ebenso wie für DAX-Konzerne.

Im Gegensatz zur Optimierung von Prozessen anhand von statistischen Qualitätszielen wie sie Six Sigma liefert wirkt Lean Management auch und vor allem in noch nicht vollständig rationalisierten oder stromlinienförmigen Prozessen, bei denen die Fehlerquote des Outputs nicht maßgeblich ist.

Als Praxisbeispiel kann hier der Reporting-Prozess eines Dienstleisters in der Energiewirtschaft dienen. Der Prozess ist generell auf verschiedene Branche übertragbar.

Die Ausgangssituation:

Ein Team des Dienstleisters besteht aus fünf Mitgliedern, von denen Vier mit der operativen Abwicklung von Geschäftsprozessen in mehreren separaten Systemen betraut sind und das fünfte Mitglied die fachliche Führung sowie das Reporting von Kennzahlen (durchgeführte Workflows, etc.) aller Systeme an den Auftraggeber verantwortet.

In einem nicht rationalisierten Prozess besteht die Aufgabe des fünften Teammitglieds darin mehrere Systeme separat aufzurufen, die gesuchten Kennzahlen zu erheben, ein Reporting-Tool mit den erhobenen Zahlen anzureichern dem Auftraggeber zur Verfügung zu stellen. Aufgrund der nicht zu beeinflussenden Reaktionszeit der verschiedenen Systeme benötigt das reportende Teammitglied für den Reporting-Prozess ca. 1h seiner täglichen Arbeitszeit.

Eine erste organisatorische Iteration des Lean Management Ansatzes könnte wie folgt aussehen:

Ziel der Optimierung:

  • Rationalisierung des Reporting-Prozesses
  • Eliminierung der Verschwendungsart Warten

Umsetzung:

  • Das Team einigt sich auf die Art der Datenerhebung, die Güte der Ergebnisse und die Verteilung der Daten.
  • Die vier produktiven Mitglieder des Teams liefern dem reportenden Mitglied täglich zum Ende ihrer Arbeitszeit unaufgefordert die besprochenen Kennzahlen.

Realisierte Verbesserung:

  • Das reportende Mitglied spart durch den rationalisierten Prozess täglich 30 Minuten ein, die für administrative Tätigkeiten o.ä. verwendet werden können.
  • Die produktiven Mitglieder sind stärker im Prozess eingebunden und tragen zur Qualität des Ergebnisses bei.

Zum Abschluss des Artikels bleibt noch zu sagen, dass die Welt des Prozessmanagements natürlich nicht so binär ist, wie im Artikel dargestellt.

Beispielsweise existiert eine Synthese der beiden Methoden unter dem Namen Lean Six-Sigma die versucht das beste aus beiden Welten in eine Methode zu überführen.

 

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