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- Der Product Owner im Spannungsfeld seiner Rolle: Aufgabe, Funktionen, Tipps
Scrum als agiles Projektmanagement-Framework basiert auf einem Metarollenkonzept, wobei als Rollen Product Owner, Scrum Master und das Entwicklungsteam zu Grunde liegen. Eine eindeutige Rollenzuordnung und -kommunikation im Projekt oder der Linientätigkeiten (z.B. bei der Produktentwicklung) erfolgt dabei mit dem Ziel, die Komplexität zu reduzieren, die Kommunikation zu vereinfachen und somit ein fokussiertes Arbeiten im Scrum Team sicherzustellen. Der Product Owner ist dabei nicht nur eine Rolle, sondern möglichst auch genau eine Person. Seine Zuständigkeit ist klar geregelt, per Definition ist der Product Owner für das WAS verantwortlich.
Die Aufgaben und Ziele des Product Owners
Schauen wir uns zunächst das WAS etwas genauer an. Der Product Owner hat eine Vision des Produkts, die er mit allen Projektbeteiligten teilt bzw. an das Team kommuniziert. Dabei „brennt“ er als Visionär, Entdecker oder Forscher für sein Produkt und steckt mit seiner Begeisterung alle anderen an, so dass sie sich einbringen und mitdenken können.
Zu den konkreten Aufgaben und Tätigkeiten eines Product Owners gehören:
- die Einbindung der Stakeholder
- das Aufstellen und Verfolgen der Business-Ziele (inkl. Messung von Erfolg und Nutzen des Produkts)
- die Zuständigkeit für das Backlog-Management (Erstellen und Pflegen)
- die Zuständigkeit für Items im Backlog und deren Beschreibung sowie die Sortierung/Ordnung
- die übergeordneten Planungen (Iterationen und Releases vorausplanen)
- die Planung und aktive Teilnahme an Sprint Reviews
Auf Basis des Product Backlogs erstellt der Product Owner eine Release-Planung, die über die einzelnen Iterationen (Sprints) hinausgeht und vorhersagt, wie sich ein Produkt über einen Zeitraum von mehreren Monaten bis hin zu einem Jahr (weiter)entwickeln wird.
Das Bestreben des Product Owners besteht grundsätzlich darin, mit jedem Sprint den Geschäftswert des Produkts zu erhöhen, die für Kunden und Anwender:innen wichtigsten Features zuerst zu implementieren und dabei die Kapazitäten des Entwicklungsteam maximal auszuschöpfen. Er hat demnach die Hauptverantwortung für die Ausbalancierung und Priorisierung der Aspekte Inhalt, Kosten und Zeit eines Produkts.
Der Product Owner gibt vor, an welchen Anforderungen und Aufgaben aus dem Product Backlog in dem jeweiligen Sprint gearbeitet wird. Niemand sonst darf dem Entwicklungsteam Arbeitsanweisungen geben.
Die Verantwortung des Product Owners im Entwicklungsprozess
Im Rahmen der Product Ownership verfügt der Product Owner zwangsläufig über das Vertrauen des Managements sowie die notwendigen Entscheidungsbefugnisse zum Product Backlog, wo die Produktanforderungen sukzessive gesammelt, bewertet und priorisiert dokumentiert sind. Jeder Produktentwicklung liegt dabei ein Prozess zu Grunde, der nach Scrum in die Zuständigkeit des Product Owners fällt und wie nachfolgend dargestellt beschrieben werden kann:
- Schritt: Identifizierung der Bedürfnisse der Kunden
- Schritt: Festlegung der Lösungsprioritäten unter Berücksichtigung der Mehrwertmaximierung
- Schritt: Entwurf von Lösungen und Entscheidung der Lösungsvariante
- Schritt: Implementierung der Lösung unter Berücksichtigung der Kosten und time-to-market
Dabei hat der Product Owner die Aufgabe „sein Produkt“ über den gesamten Produktlebenszyklus zu betreuen, von der Idee, über die Neuentwicklung/Implementierung und Weiterentwicklung bis zur Produktablösung. Das Sicherstellen von Nutzen durch die entwickelte Lösung („Benefit Engineering“) fällt dabei explizit in den Aufgabenbereich des Product Owners.
Metriken zur Messung von Produktnutzen
Die spannende Fragestellung ist, wie man den Wert des Produkts messen kann. Ausschließlich anhand der Produktivität des Entwicklungsteams sicher nicht. Diese kann zwar hoch sein, aber wenn die Ergebnisse in die falsche Richtung gehen, entsteht kein wirklicher Nutzen für die Zielgruppe. Um den Wert der Produktbereitstellung zu messen gibt das „Evidence-based Management“ einige Metriken vor, die häufig in der Praxis genutzt werden können. Für Product Owner können diese Werte sehr hilfreich sein, zumal wenn diese über längere Zeit hinweg erfasst werden, um daraus Entwicklungen und Trends erkennen zu können. Zu den wichtigsten Kennzahlen für den Product Owner gehören:
- Current Value: Misst wie das Produkt am Markt angenommen und genutzt wird. Beispielhafte Metriken für diese Kategorie sind Kundenzufriedenheitsindizes (bspw. aus Produktfeedback generiert), Messungen der Nutzung einzelner Funktionen im Vergleich zur Kundenzufriedenheit mit diesen.
- Time-to-Market: Misst, wie lange es dauert bis eine neue Anforderung vermarktungsreif verfügbar ist, gemessen vom Zeitpunkt aus, an die neue Anforderung zum ersten Mal formuliert wurde. Beispielhafte Metriken für diese Kategorie sind die Release- und Integrationshäufigkeit, die Durchlaufzeit von Backlog-Einträgen und die Vorlaufzeit.
- Ability to Innovate: Ermittelt, wie innovativ (neuartig) die Lösungsfindung ist. Beispielhafte Metriken für diese Kategorie sind die Nutzung einzelner Funktionen im Vergleich zu anderen Funktionen, der Aufwand oder die Kosten für die Neuentwicklung (in Prozent) gegenüber reaktiven Tätigkeiten wie der Wartung und die Messung der Zeit, die das Team tatsächlich am Produkt beschäftigt ist (im Vergleich zu anderen Aufgaben).
- Unrealized Value: Hierbei wird geprüft, welches Potential momentan noch nicht ausgeschöpft ist. Beispielhafte Metriken für diese Kategorie sind der Marktanteil und die Erwartungen der Anwendenden im Vergleich zu dem, was sie bekommen.
Erfolgsfaktoren für den Product Owner
Ein guter Product Owner soll die Stakeholder und das Team mit seiner Produktvision vereinen und inspirieren. Er ist dabei für das Team und den Kunden der einzige und zentrale Ansprechpartner, wenn es um fachliche Entscheidungen zum Produkt oder zum Product Backlog geht. Dabei sollte der Product Owner sich immer an zwei unterschiedliche Faktoren orientieren:
- Organisationsorientiert: Der Product Owner muss die Kunden- und Stakeholder-Perspektive stets im Blick behalten, z.B. zur Anforderungsaufnahme und -bewertung anhand der Produktvision.
- Teamorientiert: Auch darf der Product Owner die Teambedürfnisse nicht aus den Augen verlieren. Diskussionen und die Bewertung der Anforderungen mit den technischen Expert:innen aus dem Entwicklungsteam bezüglich der Umsetzbarkeit sowie fachliche Entscheidungen in der Umsetzungsphase müssen ebenso berücksichtigt werden.
Eine Fokussierung auf einen Aspekt und weniger Aufmerksamkeit auf den anderen ist nicht zielführend oder zulässig. Sowohl die Organisation- als auch die Teamorientierung dürfen vom Product Owner in keiner Prozessphase vernachlässigt werden. Aber wie kann er das in der Praxis erreichen?
Erfolgreiche Product Owner geben meist diese sechs Tipps als persönliches Erfolgsrezept:
- Antrieb und Begeisterung für das Produkt „vorleben“
- Immer neugierig bleiben
- Mutig und voller Vertrauen fachliche Entscheidungen treffen („Es gibt keine richtigen oder falsche Entscheidungen“)
- Fragen zum Produkt jederzeit beantworten (man muss aber nicht immer alles wissen)
- Das Team als gleichwertigen Partner begreifen, d.h. Product Owner und Entwicklungsteam arbeiten auf Augenhöhe eng zusammen
- Permanente Kommunikation mit allen Stakeholdern (Team und Kunden)
Fazit: Ein erfolgreicher Product Owner hat alle Projektbeteiligten und den Kunden im Blick
Der Product Owner hat als Person Kenntnisse und Fähigkeiten erlangt, die ihn besonders für diese Rolle befähigen. Sie ähneln stark denen, die auch für Projektmanager wichtig sind. Er muss ein Teamplayer innerhalb des Scrum Teams sein. Wenn er nur seine Ideen durchsetzen möchte, das Entwicklungsteam diese aber ablehnt, können keine brauchbaren Ergebnisse in den Sprints erzielt werden. Er muss sich auf die Wünsche, Arbeitsweise und Fähigkeiten des Entwicklungsteams einstellen: Ohne das Team wird er nicht das bekommen, was „sein“ Produkt braucht, um am Markt erfolgreich zu sein. Das gilt in ähnlicher Form auch für die Zusammenarbeit mit den Stakeholdern. Es liegt dabei in der Verantwortung des Product Owners, verschiedene Aspekte permanent gegeneinander abzuwägen und auszubalancieren:
- Kosten, Profitabilität und Rentabilität der Produktentwicklung (ROI) gegen Kundenzufriedenheit und Marktfähigkeit
- Erwartungen und Anforderungen der Stakeholder gegen die Kapazität (und Fähigkeiten) des Entwicklerteam
- Produktivität des Teams (Output) gegen Ergebnisqualität und Nutzen/Wert (Outcome)
- Proaktive Maßnahmen (Risikoerforschung, Entwicklung neuer Funktionen) gegen reaktive Maßnahmen (Tests, Fehlerbehebung, Qualitätssicherung, Wartung)
Idealerweise können die Product Owner diese oftmals konträren Aspekte gut händeln, was keine leichte Aufgabe ist, aber zum Spannungsfeld der Rolle gehört. Insgesamt müssen Product Owner also in der Praxis deutlich mehr können, als der Scrum Guide zu ihrer Rolle ausführt.

Team affinis
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