Oftmals wird affinis von Unternehmen kontaktiert, deren IT-Projekte in einer kritischen Phase sind. Wir empfehlen die Befolgung einiger praxisnaher und erprobter Leitlinien, mit denen die Wende gelingt, also der Turnaround von der Krise zum geregelten Fortschritt des Projekts.

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Abb. 1: Leitlinien für Projekt Turnaround Management, eigene Darstellung

Identifikation

Auf den ersten Blick erscheint es als eine recht simple Aufgabe, Turnaround-Kandidaten zu identifizieren. In der Realität geschieht dies aber oft sehr spät. Gründe hierfür können sein, dass man sich ein (vermeintliches) Scheitern nicht eingestehen will, dass ein Projekt nicht genügend Aufmerksamkeit seiner Stakeholder erfährt, oder dass der reale Projektstatus nicht offen kommuniziert wird („Melonen-Projekt“: außen grün, innen rot). Turnaround Management bedeutet sich zu vergegenwärtigen, dass in den Krisenmodus geschaltet werden muss – oft verbunden mit einschneidenden Maßnahmen und Entscheidungen. Eindeutige Anzeichen dafür, dass ein Projekt zu einem Turnaround-Kandidaten geworden ist, sind z.B. häufige Änderungen an der Projektplanung, extrem geringe oder hohe Budget Burnrate, hohe Fluktuation im Team, auffällige Zunahme von vermeintlichen Steering-Meetings inkl. Top-Management Teilnahme oder steigende Anzahl an (Kunden-) Eskalationen.

Analyse & Stabilisierung

Die zweite Phase des Turnaround Managements fokussiert die IST-Analyse, sodass grundlegende Probleme im Projektkonstrukt identifiziert und mit Blick auf wesentliche Zusammenhänge strukturiert werden können. Parallel dazu empfiehlt es sich, den laufenden Projektbetrieb aufrecht zu erhalten und zu stabilisieren.

Insbesondere ein von außen hinzukommender Turnaround Manager (sei es als externer Berater, oder als Mitarbeiter aus einer anderen Organisationseinheit ohne direkte Verbindung zum Projekt) hat den großen Vorteil, dass er unbelastet einen objektiven Blick auf das Projekt als Ganzes werfen kann. Bei einem externen Turnaround Manager besteht außerdem keine Gefahr, dass er aus persönlichen Absicherungsmotiven versucht, Fehler aus der Vergangenheit zu kaschieren. Die Analyse-Phase bietet die Gelegenheit, Probleme eines Projektes offen und objektiv festzustellen. Basis hierfür können diverse Dokumente sein (Projektauftrag, Projektbeschreibung, Status Reporting, Management Kommunikationen, Projektpläne). Das wichtigste Analyseinstrument sind allerdings Meetings und Interviews. Gespräche mit allen Stakeholdern und Projektmitarbeitern sind das effektivste Tool, um das Projekt zu verstehen und die Probleme und Optimierungspotenziale zu erkennen.

In dieser Phase kommt es häufig zu einem massiv ansteigenden Druck seitens der Sponsoren. Diese erwarten schnelle und effektive Lösungen anstatt einer umfangreichen Problembeschreibung. Wichtig ist hier von Anfang an eine klare Kommunikation, dass diese Analysephase zwingend erforderlich ist und gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird. Dem Druck der Stakeholder zu widerstehen, Sicherheit zu vermitteln und eine saubere Analyse durchzuführen, sind in dieser Phase die Kernkompetenzen eines Turnaround Managers.

Restrukturierung

Die dritte Phase beschreibt das Turnaround Management im engeren Sinne. Im Kern geht es in der dritten Phase darum, auf Basis der gesammelten Informationen und unter Verwendung der eigenen Erfahrungen und Kompetenzen eine funktionierende Lösung für den Projekt Turnaround zu erarbeiten, frei von vermeintlichen Abhängigkeiten und Restriktionen. Das Projekt wird restrukturiert.

Hier gibt es kein allgemeingültiges Erfolgsrezept. Aus vielfacher Praxiserfahrung heraus sind jedoch folgende acht Schritte empfehlenswert:

  1. Vollständige und eindeutige Scope-Beschreibung erstellen
  2. Update des Masterplans
  3. Transparenz und enge Kontrolle des Budgets
  4. Delivery Approach optimieren
  5. Lieferantenstruktur überarbeiten
  6. Projektstruktur anpassen
  7. Stakeholder Management und Kommunikation intensivieren
  8. Professionelle Projektmanagementmethoden implementieren

Durchführung

Grundsätzlich wird ein erfahrener und entscheidungsfreudiger Programm- und Projektmanager benötigt. Sein Mandat muss es ihm erlauben, auch einschneidende Entscheidungen direkt und schnell zu treffen. Die extremste Entscheidung im Rahmen des Turnaround Managements wäre der Abbruch bzw. die Rückabwicklung des Projekts. Zwar ist dies nicht das primäre Ziel, trotzdem sollte diese Option stets berücksichtigt werden.

Das Projekt ist restrukturiert, nun wird exekutiert. Den neuen Strukturen und Plänen folgend wird an der Zielerreichung gearbeitet. Auf Grund seiner Historie und seines Status wird ein Turnaround Projekt erheblich Zeit in Anspruch nehmen, bevor es als „normales“ Projekt betrachtet und gesteuert werden kann. Nichtsdestoweniger kann bereits in dieser Phase der Turnaround Manager (nach angemessener Übergabezeit) ausscheiden und an einen nachfolgenden Projektleiter übergeben. Dies kann dadurch erforderlich werden, dass der Turnaround Manager bereits im nächsten kritischen Projekt benötigt wird.

Controlling

Das Controlling des Projektes ist eine kontinuierliche Aufgabe und bezieht sich sowohl auf die finanzielle Sphäre des Projektes, als auch auf die zugrunde liegenden Bestandteile (Scope, Pläne, Ressourcen, Delivery Approach). In einem Turnaround Projekt ist die Bedeutung besonders hervorzuheben. Das Projekt wurde neu aufgesetzt, strukturiert und in eine relativ stabile Durchführung überführt. Die Basis der Initiative bleibt in den meisten Fällen jedoch vergleichsweise fragil, es besteht das latente Risiko, dass das Projekt wieder in den Krisenmodus gerät. Das enge Controlling dient somit dem Zweck, das Projekt in stabiler Lage zu halten und die Zielerreichung zu ermöglichen.

Abschluss

Der Abschluss eines (ehemaligen) Turnaround Projekts unterscheidet sich im Grunde kaum von anderen Projekten. Sofern eine Übergabe in den Betrieb vorgesehen ist, kann es jedoch passieren, dass im Krisen- und Rettungsmodus diese Transition aus dem Fokus rückt und erst gegen Ende der Projektlaufzeit in sehr kurzer Zeit vorbereitet werden muss. Dies gilt es zu verhindern, um im Betrieb nicht erneut in einen Krisenmodus zu geraten.

Bei einem ehemaligen Turnaround Projekt sind Lessons Learned zwingend erforderlich, um ähnliche Fehler zukünftig zu verhindern. Entscheidend ist die vollständige Auflistung aller Probleme und Fehler, sowie deren Querverbindungen. In Kombination mit Optimierungsmaßnahmen kann so ein Leitfaden erstellt werden, der die Entstehung weiterer Turnaround Projekte deutlich unwahrscheinlicher macht.

Es wird deutlich, dass die Durchführung eines Turnarounds eine große Herausforderung darstellt. Gerne stehen wir Ihnen zur Verfügung um gemeinsam herauszufinden, welche Vorgehensweise für Ihr Projekt die Beste ist.