„Das haben wir schon immer so gemacht“, „Das haben wir alles schon versucht“, „Das ist richtig, aber bei uns nicht anwendbar“ sind typische Aussagen, die in praktisch jedem unternehmensinternen Change Prozess fallen.

Change Manager sind es gewohnt, auf Widerstände und Ängste in der Belegschaft reagieren zu müssen. Die Gründe für diese Widerstände sind nicht immer rational, werden sie jedoch einfach übergangen, können sie das komplette Change-Projekt zum Scheitern bringen.

Doch warum stehen so viele Mitarbeitende Change und Innovationen zunächst kritisch gegenüber? Ein Grund dafür sind kognitive Verzerrungen, auch Cognitive Bias genannt. Sie beeinflussen Haltungen, Entscheidungen und Meinungen auf verschiedene Art und Weise.  Deshalb lassen sich aus ihnen auch viele Erkenntnisse ziehen, worauf es bei einem erfolgreichen Change Management ankommt.

Definition: Was sind kognitive Verzerrungen?

Kognitive Verzerrungen oder Cognitive Bias sind mentale Abkürzungen bzw. Vorurteile, die von Menschen genutzt werden, um mit der Flut and der sie umgebenden Informationen umzugehen und schnelle Entscheidungen zu treffen. Sie sind in vielen Lebensbereichen nützlich, weil sie auch bei einer begrenzten Verarbeitungskapazität von Informationen Entscheidungen ermöglichen. Doch gerade, wenn es um Risikobewertungen, Change oder Innovationen geht, behindern diese Vorteile einen rationalen, offenen und zielgerichteten Umgang damit.

Im Change Management ist es wichtig, diese Biases zu erkennen und einzuordnen. Mit dem Wissen um Cognitive Biases können Change Manager angemessen auf das Verhalten von Mitarbeitenden und Management reagieren und Strategien für das Change Management ableiten. Doch welche Cognitive Biases gibt es und wie funktionieren sie?

Die zehn verbreitetsten Cognitive Bias

Wir geben euch einen Überblick über die zehn verbreitetsten kognitiven Verzerrungen.

1.      Confirmation Bias

Der Confirmation Bias, auch Bestätigungsfehler genannt, besagt, dass Menschen bevorzugt nach Informationen suchen, die ihre bestehenden Annahmen bestätigen. Dazu gehört, dass Menschen für sie passende Informationen besser erinnern, sie höher gewichten und unpassende Informationen meiden. Für den Unternehmenskontext heißt das, dass Mitarbeitende neue Lösungen eher in für sie bekannten Bereichen suchen. Darüberhinausgehende Möglichkeiten werden oft nicht erkannt oder sogar ignoriert.

2.      Anchoring Bias

Der Anchoring Bias, auch Ankereffekt genannt, beschreibt den Effekt, dass Menschen sich bei ihren Entscheidungen unbewusst von ihrer Umgebung beeinflussen lassen. Dies zeigt sich zum Beispiel darin, dass ein erster Impuls oft das Urteil über das Nachfolgende bestimmt. Dies kann zu einer Eingrenzung der Wahrnehmung führen und einen sogenannten Tunnelblick hervorrufen. Im Unternehmenskontext ist dies z.B. bei Finanzverhandlungen der Fall. Dort gibt der Einstiegspreis maßgeblich die Richtung für die weitere Verhandlung vor.

3.      Bandwagen Bias

Der Bandwagen Bias bzw. Mitläufereffekt ist eine gruppen- und gesellschaftsbezogene Verzerrung. Er besagt, dass die soziale Dynamik einer Gruppe die Entscheidungen ihrer Mitglieder beeinflusst (Gruppendruck). Menschen neigen dazu, ihre Handlungsweisen an einen erwartbaren Erfolg anzupassen. Im Unternehmenskontext kann diese Dynamik das Ergebnis von Teamarbeit beeinflussen. Diskussionen mit anderen werden von Mitarbeitenden zum Teil als unangenehm empfunden, wodurch die Entscheidung auf die erstgenannte Lösung oder auf Ideen von extravertierten Personen fällt. Verhindert werden kann der Bandwagen Bias z.B. durch anonyme Abstimmungen und Umfragen.

4.      Sunk Cost Fallacy

Menschen neigen dazu, Projekte zu überschätzen, in die sie bereits viel Geld, Zeit und Emotionen investiert haben. Bei der Bewertung des Projekts steht nicht das Ziel, sondern die bisherige Investition im Vordergrund. Es kommt zu einer Verzerrung des Urteilsvermögens in Kombination mit der Angst, loszulassen und sich Fehler einzugestehen.

Das Ergebnis: In Unternehmen wird häufig weiter in gescheiterte Projekte investiert, statt loszulassen und damit zukünftige Verluste zu reduzieren.

5.      Availability Heuristic

Die Availability Heuristic wird im Deutschen Verfügbarkeitsheuristik genannt. Sie beinhaltet, dass Ereignisse (hinsichtlich Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit) danach bewertet werden, welche Erinnerungen am ehesten verfügbar sind. Menschen erinnern sich oft zuerst an emotionale Ereignisse und kommen dadurch zu falschen Einschätzungen von Wahrscheinlichkeiten. Entscheidungen werden davon beeinflusst, woran sich Menschen am ehesten erinnern. Im Unternehmenskontext führt dies zu einer Über- oder Unterschätzung von Risiken und Lösungen.

6.      Pro-Innovation Bias

Hintergrund des Pro-Innovation Bias ist es, dass Menschen Innovationen grundsätzlich als etwas Positives ansehen, auch wenn sie sich noch gar nicht damit auseinandergesetzt haben. Der Pro-Innovation Bias bildet damit den Gegenpol zum Status Quo Bias und tritt häufig im Management auf. Neuheiten werden dadurch nicht mehr genug auf ihre negativen Auswirkungen, wie z.B. Umweltschäden, Entlassungen etc., geprüft. Auch bei einer grundsätzlichen Offenheit gegenüber Innovationen sollte das Management deshalb eine globale und kritische Sicht auf neue Konzepte bewahren.

7.      Status Quo Bias

Der Status Quo Bias basiert auf der „Macht der Gewohnheit“. Menschen bevorzugen die aktuelle Situation aufgrund von Verlustängsten gegenüber Veränderungen. Ein typischer Satz für den Status Quo Bias ist „Das haben wir schon immer so gemacht“. Durch das Festhalten am Status Quo sind Menschen deutlich weniger offen für Neuerungen. Probleme werden auf Basis von bekannten Denkweisen gelöst. Im Unternehmenskontext führt dieses Verhalten zu einer sinkenden Kreativität und nur geringer Weiterentwicklung und Veränderungsbereitschaft.

8.      Survivorship Bias

Durch den Survivorship Bias überschätzen Menschen die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs, weil sie sich eher an Erfolgsgeschichten als an Fehlschläge erinnern. Erfolgsgeschichten werden gerne als Musterbeispiel angepriesen, während erfolglose Geschichten bei der Bewertung nicht gleichermaßen Berücksichtigung finden. Dies führt in Unternehmen dazu, dass Strategien sich oft an positiven Beispielen orientieren und Misserfolge außer Acht gelassen werden.

9.      Framing Bias

Der Framing-Effekt beinhaltet die Annahme, dass sich Menschen bei der Bewertung einer Botschaft vom Kontext beeinflussen lassen. Menschen treffen demnach keine rationalen Entscheidungen auf Grundlage von Inhalten, sondern entscheiden auf Basis von Emotionen. Daher ist es in Unternehmen auch immer entscheidend, wie Informationen anderen gegenüber präsentiert werden.

10.  Bias Blind Spot

Der Bias Blind Spot bezeichnet das Vorurteil, sich selbst für unbeeinflussbar zu halten. Menschen nehmen sich selbst als rational und objektiv war. Sie sind der Meinung, dass Verzerrungen und Beeinflussungen nur bei anderen Personen auftreten. Das dies jedoch nicht der Fall ist, zeigen die vorherigen Cognitive Bias. Der Bias Blind Spot führt dazu, dass Menschen sich von kognitiven Verzerrungen beeinflussen lassen, ohne dies selbst reflektieren zu können.

Fazit: Verzerrungen begegnen einem überall im Change

Menschen werden in ihren Handlungen und Entscheidungen sowohl im Privat- als auch Arbeitsleben von vielerlei Vorannahmen und Verzerrungen beeinflusst. Unsere Auflistung hat gezeigt, dass es eine Menge verschiedener Cognitive Bias gibt, durch die scheinbar irrationales Handeln erklärbar wird. Auch das Verhalten von Mitarbeitenden in Change-Prozessen lässt sich anhand kognitiver Verzerrungen besser verstehen. Für das Change Management ergeben sich daraus einige Handlungsempfehlungen:

  • Infolge des Status Quo Bias stehen viele Menschen Veränderungen eher negativ gegenüber. Nehmen Sie die Ängste und Widerstände in der Belegschaft ernst und beziehen Sie die Mitarbeitenden aktiv in den Veränderungsprozess mit ein.
  • Der erste Eindruck ist oftmals entscheidend für das weitere Urteil. Legen Sie Wert darauf, dass die erste Kommunikation zum Change-Projekt bei den Mitarbeitenden einen positiven Eindruck hinterlässt.
  • Beachten Sie die Gruppendynamik im Unternehmen. In Teams können sich gegebenenfalls Widerstände gegenüber der neuen Lösung verfestigen. Durch Verbündete im Unternehmen, die sich für das Change-Projekt aussprechen, haben Sie die Möglichkeit, kritische Kollegen von den Vorteilen Ihres Projektes zu überzeugen.
  • Nutzen Sie Emotionen und Erfolgsgeschichten, um den Nutzen des Change zu unterstreichen. Es kommt nicht allein auf nackte Zahlen und Fakten an.
  • Berücksichtigen Sie Mitarbeitende besonders, die durch den Change gewohnte Handlungen oder eigenentwickelte Lösungen aufgeben müssen.

Change Prozesse erfordern sowohl auf technischer als auch menschlicher Ebene viel Fingerspitzengefühl. Für uns ist klar: Kein IT-Projekt kommt ohne ein begleitendes Change Management aus. Haben Sie Fragen, wie Sie Veränderungen im Unternehmen erfolgreich umsetzen können?  Unsere Experten freuen sich auf Ihren Kontakt per Mail oder über unser Kontaktformular.