Gerade haben wir ein Predictive Analytics Projekt bei einem Energieversorger erfolgreich abgeschlossen. Wir berichten über die Herausforderungen in diesem Projekt, über Annahmen und deren Richtigkeit, unser angepasstes CRISP-DM-Vorgehen und welche Ergebnisse unsere Churn-Analyse bei diesem Energieversorger zu Tage gebracht hat.

Ausgangssituation

Bei unserem Auftraggeber handelt es sich um ein Energieversorgungsunternehmen (EVU), das regionale Produkte für die Bereiche Strom, Gas, Wasser, Wärme und Kommunikation liefert. Durch seine regionale Auslegung ist das Unternehmen im Hinblick auf seine Preisgestaltung nicht in der Lage, mit großen Discountanbietern zu konkurrieren. Das EVU beobachtet in den Bereichen Strom und Gas eine hohe Fluktuation der eigenen Kunden (ca. 10 – 20 % pro Jahr). Darüber hinaus liegen keine Einsichten über das Kündigungsverhalten der eigenen Kunden vor.

Arbeitsauftrag

Das EVU beauftragte affinis für eine Kundenabwanderungsanalyse (auch Churn-Analyse genannt).

Churn-Analyse
Abbildung 1: Kündigungstreiber

Herangehensweise der Churn-Analyse

Die gewählte Herangehensweise orientierte sich stark am „Cross Industry Standard Process for Data Mining“ (CRISP-DM). Eine detaillierte Ausführung dieses Vorgehens haben wir bereits in einem früheren Blog-Beitrag dargestellt.
Im Rahmen der Datenbeschaffung aus dem Abrechnungssystem identifizierten wir, dass eine Reihe hilfreicher Daten wie z. B. „Alter“, „Geschlecht“, „Kunde seit“ und „Zeitpunkt der Kündigung“ fehlten. Im Zuge dessen erstellte affinis einen Datenkatalog als Übersicht darüber, welche Daten vorhanden sind und welche Informationen für eine leistungsstärkere Analyse nötig wären.
Die Modellierungsphase verlief zweigeteilt. Auf der einen Seite bedienten wir uns Data Mining- und Regressionstechniken, um wichtige Einflussfaktoren, die für die Kundenbindung hinderlich bzw. förderlich sind, zu identifizieren. Im zweiten Schritt wurde ein prädiktives Modell erstellt, das für jeden individuellen Kunden angibt, ob eine unmittelbare Kündigungsgefahr besteht.

Ergebnisse der Churn-Analyse

Das Data Mining zeigte uns, dass die Anzahl der Produkte (Verbundprodukte) sich im vorliegenden Fall signifikant vermindernd auf die Kündigungsquote auswirkt. Die Analyse möglicher Kündigungstreiber wie z. B. die Anzahl der Preisänderungsschreiben lieferte kein einheitliches Bild und lässt systematische Fehler in den vorliegenden Daten vermuten.

Unser prädiktives Modell zur Kündigungsvorhersage ist in der Lage in den Segmenten Strom und Gas über ein Viertel der tatsächlichen Kündiger zu identifizieren. Wird eine Kündigungswarnung ausgesprochen, dann ist diese relativ sicher, da das Modell eine hohe statistische Genauigkeit (Gas: 71,86% und Strom: 83,17%) aufweist.

Modellvalidierung Churn-Analyse
Abbildung 2: Modellvalidierung zur Churn-Analyse

Maßnahmenempfehlung

Ziel unserer Empfehlungen ist es,

  1. die gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen der Kundenbearbeitung sinnvoll einzusetzen und
  2. die Prognosequalität nachhaltig zu steigern.

Datenqualität

  • Zur Verbreiterung der Datenbasis und Erhöhung der Datenqualität ist die Einführung eines CRM-Systems zu empfehlen.

Cross-Selling

  • Kunden mit Verbundprodukten neigen deutlich weniger zu einer Kündigung. Cross-Selling Maßnahmen sollten eingesetzt werden, um die Kundenloyalität zu erhöhen. Diese Maßnahmen müssen anschließend auf den gewünschten Effekt hin überprüft werden.

Kündigungs-Frühwarnsystem

  • Durch Erweiterung der Variablenbasis wäre sicherlich eine bessere präventive Erfassung der Kündiger möglich, aber bereits mit dem bestehenden Modell ist die Reduzierung der Kündigungsquoten durch Kampagnenmaßnahmen möglich. Im ersten Schritt geht es darum, die möglichen Maßnahmen monetär zu bewerten und auf Wirtschaftlichkeit zu untersuchen. Sollte Wirtschaftlichkeit gegeben sein, folgt die Validierung der aufgestellten Thesen durch Testkampagnen mit sog. Kontrollgruppen.

Fazit

Predictive Analytics-Projekte sind nicht ausschließlich darauf ausgerichtet die Güte der Prognosen in einem Unternehmen zu verbessern. Derartige Projekte sind darüber hinaus hervorragend dafür geeignet, Datenqualitätsprobleme oder prozessuale Missstände aufzudecken. Ein sehr wichtiger Erfolgsfaktor in diesem Zusammenhang ist die enge Einbindung des Auftraggebers und seiner Fachanwender. Nur wenn für diese Stakeholder die Intention des Projektes klar ist und Vertrauen in die Ergebnisse gegeben ist, besteht die Chance auf langfristiges Umdenken. Dies ist auch der Grund, warum affinis in kommenden Projekten eine abgewandelte Form des CRISP-DM nutzen wird. Im Standardvorgehen nach CRISP-DM fehlt unserer Meinung nach die benötigte Interaktion mit den Stakeholdern auf Kundenseite.

Ohne Wenn und Aber helfen prädiktive Analysemethoden Erkenntnisse über das wahrscheinliche Kundenverhalten zu gewinnen. Auf der Grundlage der Analyseergebnisse können Maßnahmen getroffen werden, um die Prognosequalität kontinuierlich zu steigern und analog dazu in der Kundenbindung besser zu werden.