Mit Hilfe von Prozessreifegradmodellen kann ein Unternehmen seinen Standort in der Qualität der Prozesse feststellen. Darüber hinaus können Optimierungspotenziale erkannt werden und die Wege zur Erreichung von Qualitätszielen definiert werden.

Zur Sicherung der Qualität von Softwareentwicklungs- und IT-Service-Prozessen wurden etablierte Vorgehensmodelle wie das V-Modell XT, das Spiralmodell, ITIL 4 oder auch agile Frameworks wie SAFe eingesetzt. Parallel sind Modelle entstanden, die die Güte der Prozesse und die Konsistenz der Umsetzung in Unternehmen messen sollen, sogenannte Prozessreifegradmodelle. Dabei wird die Qualität eines Prozesses anhand von vordefinierten Kriterien gemessen und einem Reifegrad zugeordnet. Je höher der Reifegrad eines Prozesses ist desto besser ist der Prozess implementiert.

Bekannte Reifegradmodelle im Prozessmanagement

Die bekanntesten Prozessreifegradmodelle sind:

  • Capability Maturity Model (CMM) und seine Weiterentwicklung Capability Maturity Model Integration (CMMI) wurden 1986 entwickelt und werden heute weltweit in über 10 000 Organisationen in 106 Ländern für Software-, Service-, Beschaffungs- und Datenmanagement verwendet.
  • Die ISO/IEC 33000-Serie basiert auf SPICE (Software Process Improvement & Capability Determination), das 1998 mit dem Ziel entwickelt wurde, eine übergeordnete Struktur zu schaffen, die ermöglichen sollte, unterschiedliche Verfahren zu integrieren. In ISO/IEC 33000 sind somit mehrere Methoden, wie Bootstrap, CMM, Trillium u. a. eingeflossen.
  • ISO 9001 ist ein 1987 entwickelter und seit der aktuellen Revision aus 2015 weltweit anerkannter Standard, der Anforderungen an ein wirksames Qualitätsmanagement in einem Unternehmen definiert.
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Das Prozessreifegradmodell in verschiedenen Stufen

Die meisten Prozessreifegradmodelle basieren auf einem vergleichbaren Aufbauprinzip, bei dem typischerweise fünf bis sechs Reifestufen unterschieden werden:

affinis-Prozessreifegrad

Abbildung 1: Prozessreifegrade [Nehfort (2017), S. 695.]

Stufe 0, Unvollständig (incomplete): Hier sind die Durchführung und Ergebnisse eines Prozesses nicht zu erkennen, bzw. nicht vollständig, und der Prozess selbst ist chaotisch. [Vgl. Nehfort, Dürr (2004), S. 5ff, Jacobs]

Stufe 1, Durchgeführt (performed): Prozess wird ohne Planung und Dokumentation durchgeführt, aber Grundlagenanforderungen werden erfüllt und brauchbare Ergebnisse geliefert. [Vgl. Nehfort (2004), S. 6, Jacobs]

Stufe 2, Gemanaged (managed): Prozessdurchführung und Ergebnisse werden kontrolliert. Prozesse werden geplant, befolgt und gelenkt. Qualitätssicherung ist gegeben. [Vgl. Nehfort (2004), S. 6]

Stufe 3, Etabliert (established): Bewährte Methoden werden organisationsweit als Standard dokumentiert und umgesetzt.

Stufe 4, Vorhersehbar (predictable): Die vorliegenden statistischen Kenntnisse ermöglichen eine Vorhersage über Prozessaufwand und dazugehörige Ergebnisse. [Vgl. Nehfort (2004), S. 7, Jacobs]

Stufe 5, Optimierend (optimized): Ursachen für Fehler werden systematisch untersucht und die Prozesse werden systematisch verbessert. [Vgl. Nehfort (2004), S. 7]

Die Reifegradstufen haben Auswirkung auf die Produktivität und Risiken. Mit steigendem Reifegrad verringern sich die Risiken und die Produktionskosten eines Unternehmens, da Prozesse stabiler und vorhersehbarer ablaufen:

affinis-CMMI

Abbildung 2: Verhältnis zw. Risiko & Kosten zu Produktivität & Qualität in Bezug zu einzelnen Stufen am Beispiel der CMMI Stufen [Vgl. Hohler, S. 8]

Vor- und Nachteile der Modelle im Prozessmanagement

Der Einsatz von Prozessreifegradmodellen bietet Unternehmen mehrere Vorteile: [Vgl. Jacobs]

  • Sie erkennen Stärken und Schwächen auf Basis eines definierten, standardisierten Rahmens.
  • Sie können gezielte Maßnahmen zur Prozessverbesserung ableiten.
  • Sie erhalten Orientierung durch Benchmarking mit vergleichbaren Organisationen.
  • Reifegradstufen dienen als Nachweis und Dokumentation der Prozessqualität.

Auch für externe Stakeholder bieten Reifegradmodelle Vorteile: [Vgl. Jacobs]

  • Sie ermöglichen eine bessere Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen.
  • Sie erleichtern die Überprüfung der geforderten Qualitätsstandards.
  • Sie fördern die Definition und Einhaltung einheitlicher Qualitätskriterien.

Trotz ihrer Vorteile bergen Prozessreifegradmodelle auch einige Herausforderungen: [Vgl. Jacobs]

  • Bürokratie: Ein zu hoher Dokumentationsaufwand der Prozesse führt häufig dazu, dass die Einhaltung von Prozessen wichtiger wird, als die Softwareentwicklung, bzw. Leistungserbringung.
  • Ressourcenmangel: Sehr aufwändige Prozessdokumentation benötigt zeitliche und personelle Ressourcen, nicht alle Unternehmen sind in der Lage die erforderlichen Kapazitäten zur Verfügung zu stellen.
  • Imagefokus: Es besteht Gefahr, dass die Außendarstellung eines hohen Reifegrads wichtiger wird als die tatsächliche Prozessqualität.
  • Innovationshemmung: Es wird an einem bestimmten Reifegrad festgehalten und auf die Einführung bzw. Entwicklung von innovativen Methoden verzichtet.

Trotz der genannten Nachteile, die die Reifegradmodelle mit sich bringen, dienen diese den Unternehmen als eine wertvolle, standardisierte Methode zur Orientierung des eigenen Standortes und zur Erfassung und Optimierung sämtlicher Prozesse.

Unternehmen sollten im Vorfeld verschiedene Modelle evaluieren und das Modell auswählen, das ihren spezifischen Anforderungen und Ressourcen am besten entspricht.

Literatur

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Über den Autor

Maximilian Voigt

Consultant

"Schon seit meinem ersten Nebenjob in der Schulzeit suche ich nach Wegen zur Effizienzsteigerung und Aufwandsabbau, als Consultant bei affinis nun auch seit geraumer Zeit hauptberuflich. Unsere Zeit ist kostbar, lassen Sie uns gemeinsam herausfinden, wie wir Ihren Alltag optimieren können."


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