Der folgende Blogartikel beleuchtet eines der wahrscheinlich häufigsten Probleme von Unternehmen, die noch kein Prozessmanagement betreiben: „Nichts dokumentiert und nichts optimiert!“ Und gibt unter der Prämisse „aber es ist nie zu spät“ einen Ausblick auf 3 Methoden des Prozessmanagements, die dabei helfen eine sachgerechte Lösung zu entwickeln.

Wie kann sich dem Problem genähert werden?

Gemäß einem Vorgehen nach dem Schema des PDCA-Zyklus (-Plan, Do, Check, Act) ist es sinnvoll das vorliegende Problem zur Analyse in zwei separate Aspekte zu zergliedern.

Nichts dokumentiert

Die häufigste Störquelle im Umgang mit Prozessen ist die fehlende Dokumentation. Sowohl in relativ jungen Unternehmen wie etwa Start-Ups, aber auch in etablierten Kleinunternehmen kann beobachtet werden, dass Prozesse eher „gelebt“ als planvoll betrieben werden. Diese „Laissez-faire“-Haltung im Umgang mit Prozessen schlägt sich vor allem in der Prozessdokumentation nieder. Solange sich an der aktuellen Konstellation aus internen Akteuren, externen Stakeholdern und deren Interaktion in und mit Prozessen nichts ändert, kann diese Haltung funktionieren. Sobald dieses Gleichgewicht aber gestört wird kann das tiefgreifende Folgen haben.

Ein persönlich erlebtes Beispiel hat sich wie folgt abgespielt:
Ein kommunales Energieversorgungsunternehmen bietet Kunden, deren Vermieter die ebenfalls kommunale Wohnungsbaugenossenschaft ist, einen prozentualen Nachlass auf den Verbrauchspreis in ihrem Stromvertrag. Hieraus lässt sich schlussfolgern, dass eine fehlerfreie und vor allem aktuelle Dokumentation der betroffenen Wohneinheiten im Eigentum der kommunalen Wohnungsbaugenossenschaft elementar wichtig für die korrekte Bepreisung der Kunden ist. In der Realität gab es diese Dokumentation zwar, sie wurde aber nur unregelmäßig und vor allem nicht systematisch aktualisiert. Dies hatte zur Folge, dass die Datenqualität der Dokumentation im Laufe der Zeit stetig abgenommen hat. Die Güte des Ein-, Aus- und Umzugsprozesses hing deshalb wesentlich vom Wissensstand des Sachbearbeiters ab. Dieser musste selbstständig in der Lage sein, betroffene Wohneinheiten dem richtigen Vermieter zuzuordnen. Das ging erwartungsgemäß nur solange gut, bis derjenige Sachbearbeiter ein neues Aufgabengebiet zugeteilt bekommen hat.

Die Konsequenz dieser Lücke in der Dokumentation kann leicht erraten werden, es kam infolge von gehäuften Beschwerden aufgrund eines fehlerhaften Verbrauchspreis zu einem Übermaß an manuellen Korrekturen an den Versorgungsszenarien der betroffenen Kunden.

Nichts optimiert

Der zweite Teil des Kernproblems, nämlich dass Prozesse nicht ständig optimiert werden, kann zu ebenso suboptimalen Resultaten führen wie eine lückenhafte oder gänzlich fehlende Dokumentation. Es ist zwar naheliegend einmal eingeschliffene Prozesse, die ein den Mindesterwartungen entsprechendes Ergebnis produzieren so zu belassen. Dieses Vorgehen ist allerdings weder zielführend noch zukunftsfähig.

Auch hier soll ein persönlich erlebtes Beispiel zur Illustration des Problems dienen:

Die Personaldisposition eines Prozess-Dienstleistungsunternehmens mit ca. 400 Mitarbeitern wird von nur einem Sachbearbeiter mithilfe einer Excel-Tabelle bewältigt. Zusätzlich zur Disposition von Mitarbeitern bestand die Aufgabe ebenfalls in der Erstellung von Reports der Effizienz des Mitarbeitereinsatzes in Projekten. Diese Reports beeinflussten strategische Entscheidungen der Geschäftsführung hinsichtlich Investition in Neukundenakquise oder Bestandskundenpflege und darüber hinaus.

Dadurch, dass der Sachbearbeiter in seinem Aufgabengebiet freie Hand in der Ausgestaltung seiner Arbeitsweise genießt, hat sich zwangsläufig ein eigener Stil im Hinblick auf die Dokumentation und die Erstellung der Reports eingeschliffen. Auch diese Konstellation liefert nur solange passable Ergebnisse bis das Gleichgewicht gestört wird. Fällt der Sachbearbeiter etwa ungeplant und langfristig aus oder wird ohne ausreichende Einarbeitungsphase seiner Nachfolge versetzt, leidet automatisch die Qualität des Dispositions- und Reporting-Prozesses, der eine Entscheidungsgrundlage für strategische Weichenstellungen der Geschäftsführung bildet. Auch hier lässt sich die Konsequenz eines mangelhaft optimierten Prozesses leicht vorhersehen, nämlich eine suboptimale Personaldisposition und fehlerhafte Reports an die Geschäftsführung.

Nachdem das Problem Nichts dokumentiert, nichts optimiert“ hinreichend analysiert wurde, ist es jetzt an der Zeit sich dem Aber es ist nie zu spät!“ mithilfe von Methoden und Werkzeugen des Prozessmanagements zu nähern.

Aber es ist nie zu spät! Ein Blick in den Methoden- und Werkzeugkoffer des Prozessmanagements

Erstellen eines Kontextdiagramms

Ein erster Schritt in Richtung eines Prozessmanagements kann die Erstellung eines Kontextdiagramms mit Bezug zu den zu dokumentierenden Prozessen sein.
In einem Kontextdiagramm werden (noch vor der eigentlichen Modellierung der Prozesse) verschiedene Entitäten eines Unternehmens (Abteilungen, Mitarbeiter, …) mit allen dazugehörigen Akteuren (unternehmensintern als auch -extern) mittels ihrer Interaktionen in Verbindung gebracht. Hieraus ergeben sich die Prozesse des Unternehmens.

Als Beispiel soll folgende Grafik dienen:

affinis-Kontexdiagramm

Ein beispielhaftes Kontexdiagramm

Mithilfe eines vollständigen Kontextidagramms kann so den Anforderungen der Prozessdokumentation ein Stück entgegengekommen werden. Wenn nun alle Prozesse aufgezeigt sind, können diese im nächsten Schritt modelliert werden.

Modellierung von Prozessen in UML

Sind die zu modellierenden Prozesse anhand des Kontextdiagramms identifiziert, können diese modelliert werden. Aufgrund der simplen Notation eignet sich hierfür besonders die Unified Modeling Language – kurz UML. In dieser Notation können Prozesse auf verschiedenen Abstraktionsebenen mit Stift und Papier modelliert werden.

Folgende Grafik zeigt einen Musterprozess in UML:

Bei der Modellierung von Prozessen sollte stets deduktiv, das heißt von abstrakten zu spezifischen Prozessen vorgegangen werden. Überprozesse wie die Rechnungseingangsprüfung können auf diesem Weg in mehrere Subprozesse und diese in einzelne Aktivitäten zerlegt werden. Entlang dieser Zerlegung können zunehmend feinere Optimierungen an den Prozessen vorgenommen werden, ohne das große Ganze in Gefahr zu bringen.

Prozessoptimierung mittels Benchmarkanalyse

Nachdem die Modellierung abgeschlossen ist, kann nun zur Prozessoptimierung übergegangen werden. Eine Methode hierzu ist die Nutzung der Benchmarkanalyse. Die zentrale Aufgabe der Benchmarkanalyse ist es unterschiedliche Varianten von Prozessen miteinander zu vergleichen. Unverzichtbar für diese Vergleiche ist die Formulierung von KPIs – Key-Performance-Indikatoren. Diese Indikatoren geben anhand von Kennzahlen wie Durchlaufzeiten oder Ausbringungsmenge Auskunft über die Leistungsfähigkeit der Prozesse.

Das italienische Universalgenie Galileo Galilei hat hierfür das folgende Zitat geprägt: „Man muss messen, was messbar ist, und messbar machen, was noch nicht messbar ist.“  Nur mittels angemessener und vor allem akzeptierter Kennzahlen ist es möglich Prozesse zu vergleichen und schließlich zu optimieren. Denn auch kleine Unterschiede an scheinbar gleichartigen Prozessen können gravierende Auswirkungen auf deren Performance haben.

Welche Vorteile bietet mir Prozessmanagement bzw. die systematische Dokumentation und Optimierung von Prozessen?

Ein Paradigmenwechsel weg vom bloßen „Leben“ von Prozessen hin zu einer systematischen Betrachtung und Optimierung der Prozesse hilft dabei Störquellen in der Wertschöpfung sukzessive zu eliminieren und macht ein Unternehmen langfristig wettbewerbsfähig und zukunftsfähig für kommende Megatrends wie die Digitalisierung. Die besprochenen Methoden liefern hierbei einen ersten Baustein hin zu einem umfassenden Prozessmanagement.

Wie kann affinis mein Unternehmen dabei unterstützen?

affinis bietet 18 Jahre Erfahrung im Bereich der Geschäftsprozessberatung und hat hierbei mit zahlreichen großen Akteuren, aber auch kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) kooperiert. Wir unterstützen Ihr Unternehmen auf jedem Schritt von der Prozessaufnahme sowie Reifegradbewertung über die Konzeption von Sollprozessen hin zur Etablierung eines KPI-gesteuerten Prozessmanagements. Deshalb ist es nie zu spät, bestehende Prozesse kritisch zu überprüfen und zu optimieren.

Quelle Beitragsbild: pixabay.com

affinis-Musterprozess in UML